NZZ - Neue Zürcher Zeitung vom 27.09.1980 Seite 51
Zürcher Heraldiker
Eine Ausstellung im Landesmuseum
Die um 1318 entstandene Zürcher Wappenrolle - ältestes Kunstwerk seiner Art im deutschen Kulturbereich.
Die Zürcher Vereinigung von Freunden des Wappenwesens nennt sich «Gilde»; den Gründern schwebte nicht ein blosser Verein vor, sondern «eine Gesellschaft mit strengen Formen und Ritualen». Denn auf präzisen Formen, auf deren Hinweischarakter und Bedeutsamkeit beruht ja auch die Heraldik; der in der Vereinigung herrschende Geist spiegelt sich auch darin, dass sich die Mitglieder als «Schildner» bezeichnen, und wer ihr Ehrengast ist, der bekommt eine Kette zu tragen; diese und diejenige des «Gildenmeisters» finden sich denn auch unter den Exponaten.
Heraldik erschliesst sich dem Betrachter nur, wenn dieser fähig ist auf bedeutsame Einzelheiten zu achten; falls er sich in die Fachliteratur vertiefen möchte, muss er sich mit der Fachsprache der Blasonierung vertraut machen. Eine kurze Einführung vermittelt ihm der Informationsstand, ferner eine Broschüre mit dem Titel «Drei silberne Ringe im roten Feld», die vor einigen Jahren die Zürcher Kantonalbank als Orientierungsschrift über Familienwappen herausgegeben hat und die nun als Neudruck vorliegt. Hingewiesen sei auch auf einen Wettbewerb, der Schülern der 1. bis 6. Klasse offensteht, die im ganzen Haus auf Entdeckung ausgeschickt werden, sind doch überall heraldische Zeugnisse in grosser Zahl anzutreffen.
Zu den «Bestrebungen und Zielen» der Gilde gehört die Publikation heraldischer Fachliteratur; eine Reihe findet sich hier ausgestellt. Diese wissenschaftliche Beschäftigung läuft bei den meisten der «Schildner» neben ihrer beruflichen Arbeit einher. Die Aktivitäten der Vereinigung sind aber nicht einzig der Vergangenheit zugewandt; ein Beweis dafür ist darin zu erblicken, dass 1963 zwei Mitglieder beauftragt worden sind, für die Republique Gabonaise nicht nur das Staatswappen zu gestalten, sondern auch die Insignien der Regionen, Bezirke und Gemeinden. Das Zürcher Gemeindewappenbuch ist der Gilde zu verdanken, und man geht wohl nicht fehl in der Vermutung, dass sie immer wieder von Behörden bei der Gestaltung von Fahnen und Drucksachen um Rat gebeten wird. Kenntnisse auf dem Gebiet der Heraldik sind für Entwurf und Ausführung von Scheibenrissen Voraussetzung; künstlerische Tätigkeit dieser Art wird an einem Beispiel gezeigt. Dann sind auserlesene Stücke aus der Werkstatt des Gold- und Silberschmieds zu sehen, der für Zünfte, Gesellschaften und traditionsbewusste Familien mit Wappen und Zier versehene Becher oder Teller gestaltet. Unter den vorgezeigten Objekten findet sich auch der Weibelstab des Kantons Zürich.
Den ansprechenden Rahmen für die Jubiläumsveranstaltung der «Gilde der Zürcher Heraldiker», denen als Gildenmeister Prof. Dr. med. Jürg Bretscher vorsteht er wies an der Eröffnung, bei der, wie es sich gebührt, auch ein wappengeschmückter Herold zugegen war, auf die Wichtigkeit hin, sich mit der eigenen Vergangenheit zu befassen , schaffen eine Reihe ausgesuchter Stücke aus der Sammlung des Museums. Genannt seien die Regimenjstafel von Appenzell Innerrhoden von 1688, die vier Totenschilde von Rüti, verschiedene Adels- und Wappenbriefe und die aquarellierte Federzeichnung der ersten eidgenössischen Standarte, gemalt 1842 von Carl Stauffer. (Bis 4. Januar)
Quellenangabe
Mit diesem Artikel vom 27. September 1980 auf der Seite 51 der Neuen Zürcher Zeitung wurde auf die Sonder Ausstellung im Landesmuseum der "Gilde der Zürcher Heraldiker" hingewiesen.
Bild: Zürcherwappenrolle Ausschnitt: Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum / AG 2760 – Zürcher Wappenrolle / f. 2v
Richtigstellung zum NZZ Artikel:
"Das Zürcher Gemeindewappenbuch ist der Gilde zu verdanken,..." dieser Passus ist nur bedingt richtig. Herausgeber des Buches "Die Gemeindwappen des Kanton Zürich" ist die Antiquarische Gesellschaft in Zürich. Autor ist Peter Ziegler, die Wappenzeichnungen sind von Walter Käch und unserem Schildner und Heraldiker Fritz Brunner.